Presseartikel „Wie ein Rauchopfer steige mein Gebet ...“ aus der Rheinpfalz, 24.12.2009
Presseartikel_Rheinpfalz_241209_Weihrauch Zimtsüß bis herbwürzig – an den Weihnachtstagen sind viele katholische Kirchen vom Duft des Weihrauchs erfüllt. Das wohlriechende Harz wird als Zeichen der Anbetung und Verehrung verwendet. Doch nicht immer geht dabei alles reibungslos vonstatten – wie sich der Speyerer Domschweizer Bernhard Volk erinnert.
„Als sie den Stern sahen, wurden sie von sehr großer Freude erfüllt. Sie gingen in das Haus und sahen das Kind und Maria, seine Mutter, da fielen sie nieder und huldigten ihm. Dann holten sie ihre Schätze hervor und brachten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben dar.“
So beschreibt der Evangelist Matthäus die Ankunft der Sterndeuter in Betlehem. Weihrauch, das wohlduftende Harz der Weihrauchbäume, durchzieht in diesen Weihnachtstagen viele katholische Kirchen. Kaum ein Gottesdienst, an dem Messdiener nicht das Rauchfass schwingen und die Gläubigen von einem zimt-sü- ßen oder herbwürzigen Duft eingehüllt werden.
Schon im Altertum wurde Weihrauch auch als Medizin verwendet.
So auch im Speyerer Dom, wo alles für die Christmette heute Nacht vorbereitet ist – auch Weihrauchfass und das sogenannte Schiffchen, das die Weihrauchkörner enthält, stehen bereit. Kurz vor dem Gottesdienst wird Domschweizer Bernhard Volk, eine Art Ordnungshüter des Domes, oder einer der Sakristane die runde schnellzündende Rauchfasskohle über eine Kerze halten und sie, sobald sie zu glühen beginnt, auf den Boden des Rauchfasses legen.
Beim Auszug aus der Sakristei wird ein Messdiener das Rauchfass, ein anderer das Schiffchen tragen. Zu Beginn des Gottesdienstes nimmt der Bischof oder der zelebrierende Priester ein bis zwei Löffelchen Weihrauchkörner aus dem Schiffchen und gibt sie auf die glühende Kohle. Die Harzkörner verbrennen, weißer Rauch steigt auf. Dann umschreitet der Priester, das Weihrauchfass schwingend, den Altar und inzensiert, sprich beweihräuchert, ihn als Zeichen der Anbetung und Verehrung.
Als aromatisch duftendes Räucherwerk wurde Weihrauch seit dem Altertum in Tempeln, bei Ritualen und Kulthandlungen verwendet und galt als reinigend und desinfizierend. In der Bibel wird er an einigen Stellen erwähnt, die bekannteste dürfte in Psalm 141 stehen, in dem es heißt:
„Wie ein Rauchopfer steige mein Ge- bet vor dir auf, als Abendopfer gelte vor
dir, wenn ich meine Hände erhebe.“
Rund drei Kilogramm Weihrauch ordert der Dom jährlich – in verschiedenen Mischungen. „Jeder Bischof, jeder Pfarrer hat seine eigenen Duftvorlieben“, sagt Volk. Besonders gut erinnert er sich noch an den ehemaligen Speyerer Bischof und späteren Erzbischof von München, Kardinal Friedrich Wetter. „Jedes Mal, wenn er das Heilige Land besuchte, brachte er Weihrauch mit“, erzählt der Domschweizer und hat den parfumartigen Geruch noch in der Nase. Doch damit nicht genug. Von einer Afrika-Reise kehrte Bischof Wetter mit der Idee zurück, künftig echte Holzkohle zu verwenden. Gründonnerstagmorgen sollte dies gleich ausprobiert werden. Der Sakristan, der nur Kohle mit Schnellzünder kannte, wartete kurz vor Gottesdienstbeginn vergeblich darauf, dass die echte Holzkohle über der Kerzenflamme zu glühen begann. Das Resultat: Wetter schwang ein kaltes, nicht qualmendes Rauchfass.
„Ein wenig ungehalten fragte der Bischof nach dem Gottesdienst, ob uns afrikanische Jungs zeigen müssten, wie man Holzkohle macht.“ Das wollte Bernhard Volk nicht auf sich sitzen lassen. Und so schleppte er am Mittag von zuhause den Gartengrill an und feuerte ein. Zum Abendmahlsgottesdienst konnte er weiß glühende Kohle ins Weihrauchfass legen. Der Bischof sei begeistert gewesen. „Vor lauter Freude hat er dann zu Beginn des Gottesdienstes in der Kirche etwas zuviel Weihrauch auf die Kohle gegeben“, erzählt Volk. „Man hörte ein leises „Wuff“ und Flammen züngelten aus dem Rauchfass.“ Der Messdiener reagierte prompt, machte auf dem Absatz kehrt und rannte mit dem Gefäß in die Sakristei, um die Flammen zu ersticken. Von da an, war das Thema Holzkohle im Rauchfass erledigt.
Seit einigen Jahren beobachtet der Domschweizer, dass öfter Weihrauch eingesetzt wird – nicht nur zu Hochfesten oder Beerdigungen. Das spürt auch der Kerzenhandel-Betrieb Harald Hüther in Speyer, der unter anderem den Dom mit Weihrauch beliefert. Rund 20 Sorten hat er im Angebot: vom reinen Weihrauchharz bis hin zu Sorten wie Para- dies, Lourdes Gold, Dreikönig oder Pontifikal. Für jeden Geschmack ist etwas dabei – von blumig bis würzig oder fruchtig. Diesen Sorten sind ätherische Öle, wohlriechende Hozer, Kräuter oder Blüten beigemischt, erklärt Hüther. Seinen Weihrauch bezieht er von einer Firma in den Niederlanden, abgepackt in Pfund- oder Kilo-Schachteln. Aber er hat auch kleine Mengen im Angebot – für Privatleute. Er zieht ein kleines Päckchen hervor: 100 Gramm Rosen- weihrauch direkt vom Berg Athos.
Nicht nur Priester sind Abnehmer des Weihrauchs. „Zu uns kommen auch viele Privatleute und Heilpraktiker“, sagt Hüther. Und das nicht von ungefähr. Schon seit dem Altertum wurde Weihrauch in fast allen Kulturen nicht nur als kultisches Räucherwerk, sondern auch als Medizin verwendet. Die alten Ägypter benutzten ihn wegen seiner entzündungshemmenden Wirkung bei Verletzungen, balsamierten ihre Toten mit ihm ein. Von Hippokrates bis Hildegard von Bingen wurde Weihrauch zur Wundreinigung und gegen Krankheiten der Atemwege eingesetzt. Heute hat man die Heilkraft des Weihrauchs – das Besondere ist der hohe Gehalt an Boswelliasäuren – in der Naturheilkunde wieder entdeckt. Bei Aromatherapien werde vor allem das reine Harz verwendet, sagt Hüther.
Und auf was stehen die Messdiener, die in den Gottesdiensten das Weihrauchfass tragen? Hüther muss nicht lange überlegen: „Viele mögen die Sorte Caspar.“ Eine bernsteinfarbene Mischung aus Weihrauch und Naturharzen. Dieser Duft wird manche umhüllen, die am Dreikönigstag als Caspar, Melchior und Balthasar von Haus zu Haus ziehen und den Segen an die Türen schreiben.